Petra KaschBei Lesungen werde ich oft gefragt, wie ich denn Schriftstellerin geworden bin. Ob man das lernen kann. Und wenn ja, wie ich es dann angestellt habe. Angestellt habe ich eigentlich gar nichts, wenn man nicht unbedingt meine Mutter dazu befragt.

Im Schuppen meines Vaters stand früher eine alte Holzkiste. Ich war acht, als ich sie das erste Mal öffnete. Seitdem ist mein Leben mit einem Zauber belegt. In der Kiste befanden sich die Reste der alten Hausbibliothek des Vorbesitzers. Dieser Mann, in dessen Sommerhaus ich aufwuchs, schien ein echter Weltreisender gewesen zu sein. Seine Geschichten inspirierten mich später zu meinem ersten Kriminalroman.

Aber so ging ich erst einmal mit seinen vergessenen Büchern auf ferne Polarexpeditionen, erkundete exotische Inseln mit einer alten Robinson-Crusoe-Ausgabe und rumpelte mit der Eisenbahn durchs verschneite Russland. Da die Bücher in altdeutscher Schrift geschrieben waren, musste ich mir diese erst beibringen, um die Bücher überhaupt lesen zu können. Viele Jahre hielt ich Fraktur für eine Geheimschrift von Forschungsreisenden, die sich damit ihre aufregenden Geschichten erzählten.

Deshalb wünschte ich mir nichts sehnlicher, als auch Forscherin zu werden. Doch als ich mich mit dem Spaten vom Gemüsebeet meiner Mutter zu einer unterirdischen Ölquelle durchbuddeln wollte, damit wir endlich reich wurden, stieß das ebenso wenig auf freudige Beachtung wie mein Versuch, einen Geheimgang durch unsere Dorfbrücke zu graben, um den versenkten Russenpanzer zu finden, von dem die Alten im Dorf munkelten.

Auch meine Flucht auf einem selbst gebauten Floß zu jenem sagenhaften Ort Tschikagoooh, das Wort hatte ich im Radio gehört, endete in einem Desaster. Das Floß war viel zu schwer, um es ins Wasser zu bringen und außerdem wohnten wir an einem Binnensee, wo man höchstens im Kreis herumpaddeln konnte.

All meine kühnen Forschungen endeten meist mit Stubenarrest. Doch eine Leseratte mit Stubenarrest zu bestrafen ist ungefähr so sinnvoll wie einen Adler mit der Hand fangen zu wollen. Seither begleiten mich drei große Leidenschaften durchs Leben:
Bücher, Bibliotheken und Reisen.

Nun fragt sich manch‘ einer vielleicht immer noch, warum ich gerade Schriftstellerin geworden bin. Ganz einfach. Weil ich es so wollte.